Ein goldenes M weist uns zu Beginn unserer Konfirmandenfahrt nach Polen den Weg. In regelmäßigen Abständen taucht es am Straßenrand auf. Kein weißes Kaninchen, wie bei Alice im Wunderland, es ist ein geschwungenes M, dass zunehmend das Geschrei der Gruppe im Bus auslöst und dem sie nur zu gern folgen würden. Alles natürlich nur um zu wachsen. Um die kommenden langen Nächte zu überstehen. Auf der Hinfahrt bleiben wir – die Erwachsenen – standhaft. … Chips, Gummibärchen, Cola…. befinden sich ja in rauen Mengen in den Taschen der Konfis. Gegen 17:30 kommen wir in Cieplice Polen an. Uns erwartet ein „sensibles Abendessen“, so steht es auf dem Plan. Dieses gemeinsame Essen ist dann doch anders als es das goldene M bieten kann. … Schließlich lautet unser Thema für die Tage: „Abendmahl“ und wir tasten uns heran: Keiner möge sich das Essen selbst auf den Teller laden, sondern die Konfis sollen einander bedienen. Wenn sie einen Wunsch haben, sollen sie die anderen nicht darauf aufmerksam machen, sondern warten, bis dieser Wunsch bemerkt wird.
Es zeigt sich, dass ist keine leichte Übung. Sich etwas gefallen lassen und warten, nicht gierig danach fassen … das ist super schwer. Nicht selbst tun – sich geben lassen und sogar warten, bis der Wunsch bemerkt wird. Die Konfis versuchen es …. . Achtsam werden Teller gereicht, Brot und Wurst verteilt, Tee wird eingeschenkt. Es ist automatisch stiller als die nächsten Tage. Sich etwas geschehen lassen, sich beschenken lassen, obwohl ich es selbst tun könnte, das viel auch mir nicht leicht. Die Teller der Mitarbeiter bleiben länger leer … Sag ich jetzt etwas … oder warte ich noch …. so ganz ohne Hinweis kommen wir dann doch nicht aus. … wenn wir an diesem Abend auch satt werden möchten. An vier Tischen sitzen wir und die Gruppe findet sich. Im Namen Jesu.
Im Rollstuhl sitzen
Wir halten auf dem Hinweg in Rastenberg und laden Rollstühle, Krüken, Gehilfen aller Art und Rollatoren in den Bus. Ein schräges Bild… noch keiner weiß so richtig was damit anzufangen…. Alles Spenden, die wir mit in die Evangelische Kirchengemeinde nach Cieplice nehmen. Ein Pfarrer verdient in Polen etwa 400 Euro im Monat, so dass es nötig ist noch ein zustätzliches Einkommen zu haben. In den Gängen der polnischen Kirche stehen Pflegebetten, Matrazen und Gehhilfen, so unterstützt die Kirchengemeinde ihren Pfarrer. 2000 Menschen kommen im Jahr aus der weiteren Umgebung in diese Kirche um sich die nötigen Geräte nach einem Krankenhausaufenthalt auszuleihen. In Deutschland würden wir sie entsorgen. Im Gesundheitswesens Polens ist diese Ausstattung nicht enthalten.
Wir halten bei herrlichem Sonnenschein auf dem Rückweg der Reise in Cieplice und laden Rollstühle, Krüken und Gehilfen aller Art aus dem Bus. Sie müssen irgendwie zur Evanglischen Gemeinde kommen. Und 26 Konfirmanden teilen sich auf: Schieben Rollstühle oder sitzen darin, laufen mit einer Krüke oder sitzen auf dem Rollator. Es ist ein Spiel … alle machen mit … keiner bleibt zurück… unter lautem Gelächter und viel Spaß wird ausprobiert. Wer sitzt und wer lässt sich schieben … manchmal muss die Rolle wechseln, damit es funktioniert. Was passiert, wenn einer loslässt? Wen der Rollstuhl die Bordsteinkante hoch muss und hinter mir das Auto drängelt.
Steh auf! Schau mich an! Nimm dein Bett und geh heim! Deine Schuld ist dir vergeben. Sonst ist so kein Schritt möglich. Unsere Schuld … darüber denken die Konfis in diesen Tagen nach… 30 Minuten ganz für sich … sie schreiben auf ein Blatt Papier … es wird verbrannt…. ein befreiendes Gefühl … mit der Asche zeichnen wir ihnen das Aschekreuz auf die Hand … in der Stille des Abends … wir feiern Abendmahl draußen in der Gartenlaube …. unter klarem Himmel … am Lagerfeuer. Steh auf! Mein Sohn, meine Tochter, deine Sünden sind dir vergeben.
Sterben für Anfänger
Das Abendmahl ist ein symbolisches Mahl, der Gemeinschaft, das uns den Rücken immer wieder stärken soll. Es soll den Alltag anhalten… mir zeigen … ich mache meinen Rücken gerade … lasse alles zerstörerische hinter mir … lästern, mobben, zänkisches Geschwätz … denn Gott ist die Kraft in meinem Leben. Ich bin auf eine gute Art von Gott gesehen. In Brot und Wein mit Gott und den Menschen um mich verbunden. Am Freitag Abend biegen wir uns erst mal vor Lachen. Sterben für Anfänger so lautet der Titel der Komödie, die wir uns ansehen. Egal, ob man mit einem zänkischen Opa auf der Rückbank im Auto, ewig rückwärts fahren muss, auch egal, ob der eigene Mann nackt auf dem Dach tanzt, weil er Pillen unbekannten Inhalts eingeworfen hat „egal wer da so im Sarg liegt und welche Wendungen das Leben nimmt…. Wir lachen zusammen …. eine Stunde lang… herrlich. Dann die Abendandacht 22:20 in der russisch orthodoxen Kapelle. Der Raum ist durch seine Ikonenmalerei prächtig ausgeschmückt. Der Weihrauch erzeugt eine besondere Stimmung. Dann hören wir den Gesang und stehen mitten drin … polnische und russische Klänge … sie entführen uns in eine andere Welt. So klingt der Freitag Abend aus …. Für manche wird jetzt die Nacht zum Tag und wir sitzen noch lange vor euren Zimmertüren…. Genaue Zeiten nenne ich jetzt mal nicht. Egal ob Spieleabend, Stadtbummel oder Schwimmbad … es sind tolle vier Tage mit euch.
Auf der Rückfahrt lassen wir uns dann erweichen. Schon wieder steht in regelmäßigen Abständen das goldene M am Straßenrand. Diesmal bereiten sich die Konfis professionell vor und googeln die nächste Abfahrt schon mal für den Busfahrer. Dreimal stehen wir im Stau … das verbessert, die Verhandlungsposition … und wir sagen: Ja, und fahren von der Autobahn ab. Das goldene M steht vor uns und wir gehen gemeinsam hinein, das goldene A-Abendmahl im Rücken. Gemeinsam – Abendmahl als Gemeinschaft mit Jesus und untereinander, dass stärke und bewahre uns auf unserem Weg hin zum ewigen Leben.
Pfarrerin Denise Scheel, Pfarrer Andreas Simon und Jugendreferentin Gloria Wolf